Buxtehudes verschwundene Kneipenwelt – Ein Fachmann packt aus.

Die Kupferkanne lag schräg gegenüber dem Bali-Kino (heute Standort vom Marktkauf), wo das Fidelio-Restaurant zu finden ist. Sie war in den 1970er Jahren ein Treffpunkt für junge Leute nach der Schule und einem Kinobesuch, für Billardspieler und Trinker.

Ein paar rote Stufen abwärts und schon war man im Reich eines speziellen Wirts. Der Typ war Mitte Zwanzig und mittags schon gut angedudelt. Hatte was Windiges an sich, mimte auf gefährlich, war so eine Art menschlicher Terrier; blond, schlank, keine eins-siebzig, immer in so einer Art Kellner-Montur aus schwarzer Hose, weißem Hemd und schwarzer Weste und Kellner-Portemonnaie unterwegs. Wenn er das dicke Teil zum Kassieren auf den Tisch schmiss, wälzten sich meine Augen gierig im Silber herum. Für uns fünfzehnjährige war er ein König, für seine Mutter ein Nichtsnutz. Mittags musste er oft schon nach Hause, weil er sich nicht mehr auf den Beinen halten konnte. Dann musste sie die Schicht fahren und hatte miese Laune.

Keine Kurzen für Knirpse in der Kupferkanne?

Nur Schnaps wollte er nicht für uns ausschenken. Er meinte dann, Knirpse kriegen keine Kurzen. Aber einer hatte einen Trick. Der legte sein Portemonnaie so auf den Tisch, dass ein getürkter Fünfzigmarkschein oben rausguckte, dass zerstreute seine Bedenken sofort: die haben Mäuse, die haben was los!

Die Kupferkanne hatte einen urtypisch warmen Kneipengeruch aus alter Bestuhlung, Küche, Zigarettenrauch und Bier. Es dudelten die Hits, wer viel Geld hatte (5 Mark), leistete sich ein Bier (80 Pfennige), eine Schachtel Zigaretten (1 Mark) und Pommes oder Kartoffelsalat mit Ketchup. Dann hatte man noch 2 Mark für den Spielautomaten oder mehr Bier, war immer eine harte Entscheidung. Ich daddelte nicht so oft, aber an einem ersten Weihnachtstag 72 oder 73 gewann ich 36 Mark. Es spielte gerade das Stück ‚Is This the Way to Amarillo‘ von Tony Christie und ich konnte mein Glück nicht fassen. Ich war auf einen Schlag reich!

Klasse Einrichtung

Der Laden hatte einen grauen melierten Linoleumfußboden, dessen große Fliesen an einigen Stellen dunkel aufgesprungen waren. Die Sitzecken waren aus grünem, mehr oder weniger gut gepolstertem Kunststoff. Aufgeschlitzte Stellen wurden einfach überklebt. Wenn ich mich recht erinnere, stand auch irgendwo eine handgetriebene Kupferkanne herum, ich glaube im Eingansgbereich. Die Decke war niedrig, keine zweizwanzig hoch. Zur Straße hin gab es gelbe Butzenscheiben über ein schmales Oberlicht. In der Nacht schien das Licht der Autos von der Bahnhofsstraße rein. Und zur schlechten Jahreszeit stand dort das Wasser in großen Pfützen, weil die Straße damals aus altem Kopfsteinpflaster und Asphaltflick bestand. Dann hörte man drinnen die Gischt spritzen, wenn ein Autofahrer keine Rücksicht nahm. Das Licht, diese Geräusche, der besoffene Wirt, ich fands richtig gut, vor allem, wenn man sich an einem kalten Bier die Hände wärmen konnte. Dazu wurden die neuesten Schoten erzählt: wer wo rausgeflogen war, wem sie die Nase lädiert hatten, warum der oder der bei der Polizei dumm aufgefallen war. Wir (längere Haare, Parka, Cord-Jeans, Fransenstiefel, auf Peace oder Pirat gezwiebelt, je nachdem) hatten uns immer witzige Sachen zu erzählen. Die Musik kam aus der Musikbox, ein einfacher Spielautomat hing an der Wand. Nach 22 Uhr wurden einige Besucher des Bali Kinos noch Gäste der Kupferkanne. Die wurden dann gefragt, wie es war zum Beispiel in Streifen wie Love-Story oder Hausfrauen-Report.

Machten den eigenen Film

Na ja, wir drehten unseren eigenen Report, am Wochenende, spielten Billard, tranken Bier und guckten immer angestrengt, wer so reinstolperte. Zu den Zeiten von dem blonden Wirt war es gefährlich, viele Schläger besuchten den Laden. Dann lag schon mal ein Besoffener zusammengeballert in der Ecke vom Sicherungskasten. Da guckte man aber nicht lange hin, sonst gab es dumme Fragen von einschlägig bekannten Typen. Das besserte sich erst, als die Albers Brüder die Kupferkanne übernahmen. Die führten später das Hotel zur Mühle. Gute Männer, immer freundlich und aufgeschlossen.

Die Kupferkannen-Kneipe lag immer auf unserem Zug durch die Bars, Kneipen und Gaststätten von Buxtehude, der Schuppen gehörte zum festen Programm. Die Kupferkanne war ein Teil meiner ganz persönlichen Buxtehude-Love-Story!

Ihr dürft jetzt schon gespannt sein, welchen Schuppen ich als nächstes aufs Korn nehme 😊

Was ist Kupfer? Kupfer (lat. Cuprum) gehört neben neben Gold, Silber und Zinn zu den wichtigsten Metallen der Welt. Es gehört zur Gruppe der Schwermetalle und wird vorwiegend in Chile, USA, Russland und China gewonnen.

Was ist eine Kanne? Ein Gefäß zum Bevorraten und ausschenken von Flüssigkeiten. Kann aber auch zum schnellen Trinken von großen Mengen genommen werden. Gehört in jeden Haushalt eines Trinksport-Fachmannes.

2 Gedanke zu “Die Kupferkanne, die Knirpse & die Kurzen”
  1. Hammer geschrieben. Als Kneipenfan, der guten Gespräche bei Bier und Zigarette liebt, konnte ich mir 1 zu 1 vorstellen wie es in dem Laden war auch wenn ich ihn nie gesehen habe.
    Tolle Story und super geschrieben.
    In diesem Sinne Prost, ich hoffe die nächste Reise in die 80/90er Kneipenwelt lässt nicht zu lange auf sich warten.

  2. Hey Wolle, eine Reise mit der Zeitmaschine zurück in die gute, alte Kupferkanne. An den Filius der Wirtsleute,, dessen Nachname mit N anfing und so klang wie ein polnischer Urlaubsort an der Ostsee, kann ich mich auch noch gut erinnern. Wie beschrieben, alkoholtechnisch durchweg flott unterwegs und zu Schichtbeginn nicht zwingend zu einem angemessenen Dienst am Kunden zu gebrauchen. Passenderweise klangen häufig Songs von Udo Lindenberg wie Lady Whisky oder Alkoholmädchen. Danke für den Artikel….

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